Arbeitgeber und Baustellenvorarbeiter vor Gericht – Arbeitnehmer kletterte auf ein Schalungselement, um die Kranhaken einzuhängen – Schalungselement kippt um – Strafverfahren wegen schwerer Körperverletzung Art. 590 Abs. 1 und Abs. 3 StGB.
Infolge der Erhebungen zu einem Arbeitsunfall, welcher sich im Jahr 2017 auf einer Baustelle zur Errichtung eines Lawinenschutztunnels ereignet hatte, wurden der Arbeitgeber und der Baustellenvorarbeiter im Hauptverfahren vor dem Bozner Landesgericht wegen der vorgehaltenen strafbaren Handlung (fahrlässige schwere Körperverletzung mit Heilungsdauer von 90 Tagen), vorgeladen.
Anstatt die vor Ort vorhandene Leiter zu verwenden, um die Kranhaken einzuhängen, kletterte der Bauarbeiter an einer angelehnten Verschalungstafel hinauf.
Diese fiel um und der Bauarbeiter kam darunter zu liegen. Er wurde dabei am Becken und am Unterleib derart schwer verletzt, dass eine Heilungsdauer von 90 Tagen, also von weit über 40 Tagen, vorlag und es somit von Amts wegen zum Strafverfahren gekommen ist.
Durch die Zeugeneinvernahmen und durch ein Parteisachverständigengutachten konnte jedoch eindeutig nachgewiesen werden, dass die Schalung nicht umgekippt ist, weil sie an der Mauer lehnte, sondern weil der Arbeiter diese, beim Hinaufklettern, zum Umkippen gebracht hatte. Laut PSV-Gutachten konnte zudem eindeutig bewiesen werden, dass es gleich mehrere alternative Möglichkeiten gegeben hätte, um die Verschalung an den Kranhaken unter Einhaltung der Sicherheitsvorschriften korrekt einzuhängen. Zum einen wäre dies mit einer vor Ort konkret zur Verfügung stehenden Leiter möglich gewesen, alternativ außerdem über das vorhandene Baugerüst, und letztendlich sogar über die Straßenbegrenzungsmauer, an welcher die Verschalung in unmittelbarer Nähe angelehnt worden war.
Der verunglückte Bauarbeiter war ausreichend in Punkto Arbeitssicherheit geschult und auch darüber in Kenntnis, dass das Hochklettern an Verschalungselementen verboten ist.
Hierzu konnte der Arbeitgeber auch eine eigene Arbeitsanweisung vorlegen, die den Arbeitnehmern bei der Einstellung ausgehändigt werden und welche vom verunglückten Arbeiter selbst unterschrieben war. Der Arbeitgeber wurde demzufolge freigesprochen.
Nicht so jedoch der Baustellenvorarbeiter, welcher als Garant für die Arbeitssicherheitspflicht auf der Baustelle die Tätigkeiten beaufsichtigen hätte müssen und somit seiner Aufsichtspflicht nicht nachgekommen ist. Letzterer wurde daher zu einer Geldstrafe von 1.000 Euro verurteilt (Urteil Nr. 1305/2022 vom 01.12.2022, hinterlegt am 01.03.2023).
Für die Verteidigung des Arbeitgebers wurden RA Meinhard DURNWALDER und RA Barbara FERRARESE mit KANZLEI in Bruneck beauftragt und als PSV - Parteisachverständiger der Sicherheitsexperte Dr. Marco FESTA aus Bozen.